Geschichte unseres Gartens und des Grätzls

von Margarethe Schima

1. Unser Grätzl

Hetzendorf ist ein Bezirksteil des 12. Wiener Gemeindebezirks Meidling und hat eine Fläche von etwa 3 km². Der bis heute eher locker verbaute Stadtteil war ursprünglich eine alte Ortschaft am Südrand von Wien.

Hetzendorf war bis um die Mitte des 19 Jhdt. ein Straßen- und Weinbaudorf. In den Quellen wird um 1800 von einer einzigen „langen und krummen Gasse“ berichtet (Hetzendorferstraße) die den Ort durchzieht, 47 Nummern zählte und von „etwa 400 Seelen bewohnt wird“. Die heutigen Straßennamen weisen noch heute auf die Namen der alten Weinrieden hin (Strohberg, Riedlgasse, Stranzenberg, Schlöglgasse, Kirchfeld, Fasanriede, …). Der Weinbau in Hetzendorf überdauerte alle unruhigen und kriegerischen Zeiten. Erst die zunehmende Verbauung setzte dem Weinbau schließlich ein Ende.

Postkarte 1917; Quelle: Sammlung Schima

Hetzendorf ist heute ein Teil des 12. Gemeindebezirks Meidling und eine der 89 Katastralgemeinden der Stadt. Der Bezirk entstand aus dem Zusammenschluss der ehemaligen Ortschaften Atzgersdorf, Hetzendorf, Altmannsdorf, Meidling und Gaudenzdorf die mit der zunehmenden Verstädterung immer mehr zusammenwuchsen. Offizielle statistische Daten zur Bevölkerungsdichte der einzelnen Stadtviertel sind nicht verfügbar. Insgesamt wird für Meidling aktuell eine Einwohnerzahl 97.634 Einwohner (Statistisches Jahrbuch 2019) genannt, die laut Prognosen[1] bis 2034 auf etwa 103.000 Einwohner ansteigen wird. Der Bevölkerungsanstieg innerhalb von Meidling ist unterschiedlich hoch. Für Hetzendorf wurde von 2009 – 2019 eine Nettozuwanderung von bis zu 12% angegeben.

Bevölkerungsentwicklung in Wien; Statistisches Jahrbuch 2019; Seite 74

Die Bautätigkeit in Hetzendorf ist entsprechend erheblich. Beispielsweise wird im Südwesten, am Emil-Behring-Weg, an der Grenze zu Liesing auf dem Gebiet der ehemaligen Bundesanstalt für Virusseuchenbekämpfung (davor: Schweinemastanstalt, teilweise denkmalgeschützt, bis 2010 zur KG Atzgersdorf gehörig) bis 2021 das Wohngebiet „Wildgarten“, für etwa 2000 Bewohner gebaut.

Der Bevölkerungszuwachs wird Hetzendorf baulich und demographisch weiter nachhaltig prägen. Trotz intensiver Bebauung hat Hetzendorf aber nach wie vor grüne Inseln, ein grünes Flair und einen dörflichen Charakter. Es ist zu hoffen, dass dies trotz weiterem Verstädterungsdruck erhalten bleiben wird.

2. Geologie

Das heutige Hetzendorf liegt auf der Terrasse des Schönbrunner Berges mit einer Seehöhe von 216m. Geologisch gehört der Boden Hetzendorfs der samatischen Stufe an, genauer dem Oberen Miozäns (Jung-Tertiär) mit relativ wenigen fossilen Überresten. Über den versteinerten Schichten des sarmatischen Sandsteins baut sich Tegel und eine Humusschicht auf. Im Tegel bestehende „Linsen“ aus holozänen Wienerwaldschottern enthalten jedoch verfrachtete Sandsteinablagerungen mit Kalkgehäusen von Muscheln, Schnecken und Krebsen. Solche tauchen bei Bauaushuben immer wieder auf und sind beeindruckende Hinweise für das Leben vor Millionen von Jahren.

Hetzendorf liegt direkt an der Thermenlinie. Es gibt Berichte über eine schwefelwasserstoffhaltige Quelle im Schlosspark. Erzählt wird auch, dass diverse Hausbrunnen in der Gegend wieder zugeschüttet werden mussten, nachdem das Wasser plötzlich stark nach Schwefelwasserstoff roch.

Versteinerte Muscheln und Schnecken in Tegel; gefunden nahe VS Rohrwassergasse, im Bereich Kinderspielplatz, 2010; Quelle: Foto Schima

3. Die Geschichte des Ortes

3.1 Chronik der Ortsentwicklung

Die erste urkundliche Erwähnung Hetzendorf datiert auf das Jahr 1114. In diesem Jahr wurde das Gebiet, als spärlich besiedeltes „Heideland“ auf Basis einer Schenkung von Markgraf Leopold III, dem Stift Klosterneuburg übertragen und im ersten Grundbuch des Stiftes eingetragen. Ab diesem Jahr mussten die wenigen Siedler („Lehnsleute“) des Gebietes Steuern und Abgaben an das Kloster abliefern. 1190 erhielt ein Henricus von Hercendorf das Gebiet als landesfürstliches Lehen. Von ihm dürfte sich auch der Namen ableiten. Aus dieser Zeit stammen auch Belege einer ersten Dorfsiedlung. Die Grundherrschaft des Stiftes Klosterneuburg über Hetzendorf endete im Jahr 1456. In diesem Jahr erwarb der „Deutsche Orden“ und die Herren von Lichtenstein Besitzungen. Das Untertänigkeitsverhältnis (Gerichtbarkeit, Steuerwesen, Robot) ging an die neuen Grundherren über. Es herrschten verhältnismäßig ruhige Zeiten, bis 1529 der erste Türkenkrieg die Gegend Ostösterreichs schwer verwüstete und auch die Bevölkerung in Hetzendorf auf 5 namentlich erwähnte Personen dezimierte. 1683 wiederholte sich die Brandschatzung und Zerstörung durch die Türken noch einmal. Über den Zustand des Ortes und die Verluste seiner Einwohner liegen keine konkreten Aufzeichnungen vor. Bei Erdaushebungen für den Bau des Hauses Hetzendorferstraße 136 im Jahre 1910 stieß man jedoch auf zahlreiche menschliche Gebeine. Einer Urkunde zufolge, ein Massengrab aus der Türkenzeit. Eine Gedenktafel am Haus erinnert an dieses Unheil.

Das strategisch wichtige Wien stand in allen kriegerischen Auseinandersetzungen des 17. Und 18 Jhdt. im Zentrum. Während sich die Stadt hinter dicken Stadtmauern einigermaßen schützen konnte, war das Wiener Umfeld mit seinen kleinen Dörfern der Aggression und den Plünderungen der einfallenden Heere ungeschützt ausgeliefert. Nach den Türkenkriegen, wurde Hetzendorf auch während der „Napoleonischen Kriege“ (1805 und 1809) wiederkehrend in Mitleidenschaft gebracht. Das Schloss wurde nachweislich von kroatischen, sächsischen und französischen Truppen als ein Hauptquartier besetzt.

Nach dem Abzug der Türken 1683 wurde Hetzendorf für die Sommerfrische schick und zog viele Adelige an, die beträchtliches Land, wie Ackerflächen, Weinrieden, Weiden aufkauften und respektable Landhäuser und Meierhöfe errichteten. Viele dieser Gebäude sind im Laufe der Zeit wieder verfallen und Opfer der Spitzhacke geworden. Im 2.Weltkrieg wurde weitere alte Bausubstanz zerstört und so blieben nur wenige architektonisch wesentliche Bauwerke übrig.

1744 erwarb Maria Theresia im Tauschweg die Herrschaft über Hetzendorf. In einem „Urbar“ wurden die Abgabenleistungen der Haus- und Grundbesitzer neu geregelt. Die Habsburgerin veränderte das Dorf durch bauliche Tätigkeiten beträchtlich. Um sich den umständlichen Weg zum neuen Lustschloss über Hietzing zu sparen, ließ sie 1857 die neue Schönbrunner Allee anlegen, die Schönbrunn direkt mit Schloss Hetzendorf verbindet. Das Schloss wurde adaptiert, der Schlosspark und zugehörige Ländereien vergrößert. In ihren letzten Lebensjahren verkaufte sie das Gut und die Ländereien des Schlosses jedoch an den Grafen von Seilern. Das Schloss verblieb weiter in ihrem Besitz. Es folgte eine neue und exakte Abgrenzung aller Flächen des Schlosses, da der Graf Abgaben für seinen neuen Besitz erstatten musste. Die neue Grenzziehung erwies sich jedoch als sehr schwierig. Man einigte sich endlich nach 3 Jahren Verhandlungen. Es wurden die ersten deutlich erkennbaren Grenzsteine gesetzt und die Einigung im Kaufvertrag niedergeschrieben. Größe und Lage des Hetzendorfer Schlossparks waren nun definitiv festgelegt und wurde auch nicht mehr verändert. Der Schlosspark hat die Form eines Rechtecks und reicht von der Hetzendorferstraße bis zum Altmannsdorfer Anger.

Ausschnitt: Franzisco-Josephinische Landesaufnahme; Landkartenwerk der österreichisch-ungarischen Monarchie; 1872; Quelle: Faksimile Sammlung Schima

Im Revolutionsjahr 1848 verlor der Adel das Recht auf Recht und Gerichtsbarkeit, und den Grundbuchdienst. Der Adel zog großteils ab und große Flächen des Gutes Hetzendorf wurden parzelliert und verkauft. 1885 erlosch die „Herrschaft“ des Adels über die Ortschaft Hetzendorf endgültig. Der Ort wurde selbstständig und wurde nun von Bürgermeistern geleitet und verwaltet. Man kämpfte permanent mit finanziellen Schwierigkeiten. Das wellige Gelände des Ortes wurde umfangreich begradigt. Die ursprüngliche Unebenheit des Bodens kann noch heute anhand unterschiedlich hoher Fensterlinien alter Häuser erahnt werden. Die Selbstständigkeit der Gemeinde Hetzendorf währte jedoch nur etwa 40 Jahre. 1890 wurde der Ort in den XII Wiener Gemeindebezirk einverleibt.

3.2 Der Park der Gräfin Zichy (späterer Pronaygarten)

In unmittelbarer Nähe zum Schloss Hetzendorf war insbesondere der Erwerb der Gräfin Zichy im Jahre 1796 bedeutsam. Diese kaufte ein großes Areal direkt dem östlichen Teil des Schlossgartens angrenzend. Der Besitz erstreckte sich bis weit hinter die jetzige Südbahnstrecke beim Bahnhof Hetzendorf. Auf Nummer Hetzendorferstraße 75a – in direkter Nähe zum Schloss – wurde ein nobles Herrenhaus gebaut. Der spätere Besitzer dieses Grundstücks, Freiherr von Prónay (1780–1848), kultivierte das Stück Land und schuf einen zur damaligen Zeit einzigartigen riesigen Garten. Prónay spezialisierte sich auf die Züchtung seltener Pelargonien und war später Vizepräsident der neugegründeten Gartenbaugesellschaft. Sein Garten zählte zu den bestgepflegten und prachtvollsten Gärten seiner Zeit in der Umgebung Wiens. Für Studierende der Wiener Universität stellte Prónay seinen Garten zur Verfügung. 1839 verkaufte Prónay seinen Besitz an Dominicus Graf Bethlen von der Iktar. Für den Bau der Südbahn musste dieser einen Teil des Gartens abtreten. Der endgültige Niedergang der Anlage erfolgte unter der Familie Sochor, die 1879 Besitzer wurde. Die Familie parzellierte 1885 den gesamten Garten. Es entstand eine neue, durch die Valerie-Cottage-Gesellschaft verwaltete, noble Wohngegend, die durch die nunmehrige Kaulbachstraße durchzogen wurde. Bis heute ist diese Straße eine Villenschau zurückreichend bis ins Gründungsjahr 1885.

Das ansehnliche Herrenhaus, des Freiherrn von Prónay auf Nummer Hetzendorferstraße 75a, war auch eine Wohnstätte von Ludwig van Beethoven.1915 wurde es niedergerissen. Eine Marmortafel an der Hauswand des Neubaus erinnert an Beethoven. Quelle: Foto 1909, ÖNB Bildarchiv
Plan auf Bestellung von Dominik Sochor 1885; Bebauung des Valerie Cottage; Quelle: Österreichische Nationalbibliothek Wien, Abteilung Digitale Services

3.3 Der Gallhof („Marienvilla“, ehemals Cafe Siller sowie Produktionsstätte der Heilmittelerzeugungsfirma Aspro)

Das, an der Ecke Hetzendorferstraße – Schönbrunner Allee gelegene,Gebäude überdauerte alle Zeiten bis heute. Um 1700 von den Grafen zu Liechtenstein erbaut, kam es ebenfalls in den Besitz von Kaiserin Maria-Theresia, die es schließlich an den Grafen von Seilern verkaufte, der es mit den Gütern und Ländereien des Schlosses Hetzendorf miterwarb. Der Gebäudekomplex war riesig. Es bestand aus dem bekannten Herrenhaus, Wirtschafts- und Stallbauten, einem barocken Lustgarten, Baumspalieren, figuralen Statuen, Vogelvolieren, usw., und reichte bis weit in die Jägerhausgasse sowie in die Schlöglgasse. Das gesamte Areal war von einer Mauer umgeben. Ein Teil des Hauses war bereits von Maria-Theresia als Schule genutzt worden. Die Herrscherin erbat sich, dass die von ihr eingerichtete Schule auch nach dem Besitzwechsel an den Grafen von Seilern, erhalten bleiben solle. Dieser hielt sich daran. Die erste offizielle Schule in Hetzendorf war geschaffen.

Der Wirtschaftshof (Gallhof, späteres „Café Siller“) wurde 1777, auf besonderen Wunsch Maria Theresias“ zur ersten Schule Hetzendorfs (das angrenzende einstöckige, in die Hetzendorferstraße vorragende Gebäude). Der Gebäudekomplex wurde im 2. Weltkrieg stark beschädigt. Die alte Schule wurde nicht mehr aufgebaut. Im Gallhof wurde 1926, David Steindl-Rast (Benediktinermönch, Anthropologe, Psychologe und Schriftsteller) geboren. Im Gebäude befindet sich heute wieder ein Gastronomiebetrieb. Postkarte um 1900; Quelle: Postkarte Sammlung Schima

4. Das Schloss Hetzendorf

Nach dem Abzug der Türken wurde Hetzendorf als Sommerfrische für den Adel interessant. Aus dieser Zeit stammt auch das Schloss in seiner heutigen Grundform. Es war im Jahr 1694 aus 3 bestehenden Höfen durch Um- und Zubauten errichtet worden. Das Schloss, mit dem damaligen Namen „Thunhof“ wurde als Jagdschloss genutzt. Zum Thunhof gehörte ein großer Garten, der „Thunwerd“ genannt wurde und mehrere Ländereien. Es zählte viele Besitzer, bis es 1744 von der Hofkammer erworben und von Maria Theresia übernommen wurde. Sie ließ Schloss und Schlosspark von Ihrem Hofarchitekten, Nicolaus Pacassi, im Stile von Schönbrunn komplett adaptieren – inklusive des Anstrichs in Schönbrunner-Gelb. Die Anlage wurde zum Alterssitz ihrer Mutter Elisabeth Christine und später Erholungsstation für ihre eigenen Kinder sowie für andere Kinder, die sie gegen Pocken impfen ließ und in der Anlage zwecks medizinischer und wissenschaftlicher Beobachtung bestmöglich betreut wurden. Die Bekämpfung der Pocken durch eine Impfung war ihr ein enormes Anliegen.

Bei der Inneneinrichtung scheute Maria Theresia keine Kosten und Mühen. Das japanische Kabinett belegt ihre Vorliebe für fernöstliche Kunst. Maria Theresia`s Sohn Josef II, der dem höfischen Leben in Schönbrunn nicht viel abgewinnen konnte, entdeckte Hetzendorf als ruhige Residenz. Er ließ umfangreiche Wirtschaftsgebäude errichten und verbrachte in seinen beiden letzten Lebensjahren einige Zeit in Hetzendorf. Die neuerrichteten „Höfe“ (auch „Trakt“ oder „Stöckl“ genannt) kamen entsprechend ihrer Bestimmung zu ihren Namen: „Kuchltrakt“, „Kapuzinertrakt“, „Doktorstöckl“, „Gartentrakt“ (das ist der dem Nachbarschaftsgarten gegenüberliegende Gebäudekomplex), „Bauhof“, „Stallhof“, usw..

Zur Zeit der Napoleonischen Kriege wurde das Schloss Hetzendorf Rückzugsort für viele Habsburger, die von den Franzosen aus ihrer Heimat vertrieben worden waren (Neapel, Lombardei, Trier, …). Während der Revolution des Jahres 1848 diente Schloss Hetzendorf Fürst Windisch- Graetz als Hauptquartier. Kaiser Franz Joseph nutzte Hetzendorf als Gästehaus für hochrangige Besucher. Von 1912 bis 1914 diente das Schloss als Wohnsitz Erzherzog Karls und seiner Familie. Das Schloss wurde für Karl modernisiert, es wurde Strom eingeleitet, eine neue Heizung gebaut und ein Telegraphenanschluss installiert. Als sein Onkel Franz Ferdinand im Sommer 1914 in Sarajevo ermordet wurde, musste der nunmehrige Thronfolger auf Wunsch Kaiser Franz Josephs, der den Großneffen in seiner Nähe haben wollte, nach Schloss Schönbrunn übersiedeln. Nach 1919 befand sich das Atelier des Bildhauers Anton Hanak im Schloss. 1944 wurde Hetzendorf schwerstens beschädigt und 1945 von den Russen besetzt. Das Schloss inklusive Seitentrakte und Gesindehäuser wurden Großteils ähnlich wie vor der Zerstörung wiederaufgebaut. Seit 1946/47 ist im Schloss Hetzendorf die Modeschule der Stadt Wien untergebracht.

Schlossareal Hetzendorf; Zerstörungen nach dem Krieg; Quelle: Bundesdenkmalamt

5. Der Schlossgarten

Der Schlossgarten in Hetzendorf wurde, so wie das Schloss Hetzendorf selbst, regelmäßig abhängig von wechselnden Besitzverhältnissen, politischen, sozialen und wirtschaftlichen Lagen, diversen Modetrends oder persönlichen Befindlichkeiten der jeweiligen Besitzer umgestaltet.

Der Schlosspark umfasst inklusive Schloss und Nebengebäude etwa 8,2 ha Fläche. Heute sind etwa 0,8 ha der Fläche, erreichbar vom Altmannsdorfer Anger, öffentlich zugänglich. Auf unseren Nachbarschaftsgarten, im östlichen Teil des Gartens, entfallen etwa 0,75 ha Fläche. Der große Rest der Parkfläche ist der Modeschule Hetzendorf zugehörig und für die Öffentlichkeit, mit Ausnahme der Veranstaltung „salon jardin“ im Mai/Juni, gesperrt.

Über das Aussehen und Bewirtschaftung des Schlossgartens gibt es erstmals nach dem Umbau zum Jagdschloss Berichte. Es handelte sich damals um einen typischen Barockgarten im französischen Stil mit regelmäßigen ornamental gestalteten Rasen- und Blumenbeeten, geometrischen pyramiden- und kegelförmigen Buchs- und Taxusformen und figuralen Steinplastiken. 1848 wurde aus dem strengen Barockgarten der Mode wegen ein „englischer Landschaftspark“. Begrenzt wird der Garten seitlich im Osten an den Park der Gräfin Zichy und westlich vom Atzgersdorferweg (heute Jägerhausgasse). Entlang des Atzgersdorferweges gab es schon immer eine Steinmauer. Die übrigen Grenzen waren ungesichert und teilweise strittig.

6. Der Teich

Die Chronik berichtet auch von einem großen Teich mit etwa 3 Meter Tiefe, der von einer Steinmauer eingefasst war und als Fischteich genutzt wurde. Sein Wasser bezog er von einer großen Grundwasserquelle. 1789 wird von der letzten größeren Abfischung erzählt. Die Vorstellung eines großen Teiches in der Schlossanlage mag heute eigenartig anmuten. Tatsächlich war das Gebiet in Hetzendorf aufgrund der unregulierten Bäche und des insgesamt kühleren Klimas nach Ende der kleinen Eiszeit, viel wasserreicher und nässer.

Die Nähe des Teiches zum Schloss erwies sich für das Mauerwerk als nicht vorteilhaft. Berichtet wurde auch von schlechter Wasserqualität, da offenbar auch die Abwässer des Schlosses in den Teich geleitet wurden. Der Teich musste alljährlich aufwändig gereinigt werden. Das überfließende Wasser wurde in den angrenzenden Park der Gräfin Zichy abgeleitet, was permanent zu Streit mit der Nachbarin führte. Ende des 18 Jhdt. traten durch die Nässe am Mauerwerk und den ebenerdigen Räumen des ostseitigen Schlosstraktes schwere Schäden auf. Um 1800 wurde der Teich schließlich zugeschüttet. Das Material wurde vom „Hetzendorfer Steinbruch“ (heutiger „Hietzinger Friedhof“) zur Verfügung gestellt. Die Zuschüttung des Teiches brachte allerdings nicht den erwarteten Erfolg. Erst ein Drainagekanal löste das Problem.

7. Der „Garten der Tiefe“, unser heutiger Nachbarschaftsgarten

Der Schlossgarten wurde in verschiedene Areale aufgeteilt. Beschrieben wird ein ostseitig gelegener „Garten der Vertiefung“, mit bewohnten Wirtschaftsgebäuden, Wagenschuppen und dem Haus- und Kuchlgarten des Schlosses. Dieser Teil wurde so genannt, da er etwa 4-5 Meter unter dem Niveau der westlichen Gartenfläche liegt. Der westliche, höher gelegene Teil erhielt den Namen „Carlsgarten“ und war Flaniergrund und Obstgarten der noblen Besitzer. Er liegt im vorderen Bereich entlang der nunmehrigen Jägerhausgasse.

Der ostseitige „Garten der Vertiefung“, auf dem nun unser Nachbarschaftsgarten liegt, war seit der Zeit Josefs II durch den „Gartentrakt“ vom damals streng barocken Prunkgarten des eigentlichen Schlossparks getrennt. Bis zum Jahr 1877 diente das Areal als Küchen-, und Gemüsegarten, mit Glashäusern und Treibbeeten, Obstbäumen und –sträuchern für die Versorgung des Wiener Hofs. Auf der Breitseite wurde der Garten zum ehemaligen Park der Gräfin Zichy, der nun Prónaygarten hieß, abgegrenzt. Aufgrund permanenter Obst- und Gemüsediebstähle wurde der Garten zuerst mit Holzblanken gesichert. 1911 wurde die feste Steinmauer als Abgrenzung gegen die Villengärten der Kaulbachstraße gebaut.

8. Unser Nachbarschaftsgarten

Nach dem zweiten Weltkrieg wurde der tiefe Garten eine Versuchsbaumschule der ehemaligen Land- und Forstwirtschaftlichen Schule in Schönbrunn, die später in die Höhere Bundeslehranstalt für Gartenbau, HBLFA Schönbrunn, umgewandelt wurde.

Quelle: Google Maps
Luftaufnahme von Hetzendorf 1957; Quelle: Pressestelle der Stadt Wien

Der Versuchsgarten Schloss Hetzendorf wurde im Jahr 2009 aufgegeben und stand über Jahre brach. Auf Eigeninitiative und mit viel Pioniergeist gründeten Christine Marksteiner und Simon Kainak, beide Absolventen der „HBLFA Schönbrunn“, am 1. Dezember 2011 den Verein „NaHe – Nachbarschaftsgarten Hetzendorf“. Die Fläche, welche im Besitz der Stadt Wien und der Verwaltung der MA 69 – Liegenschaftsverwaltung steht, konnte nach umfangreichen Gesprächen mit der damaligen Bezirksvorsteherin des 12. Bezirks, Frau Gabriele Votava, dem Umweltausschuss des 12. Bezirks, der MA 69 sowie der Gebietsbetreuung, gepachtet werden. Über Plakate und Aushänge wurden die ersten, ca. 25 interessierten „Nachbarinnen und Nachbarn“ gefunden. Nach aufwendigen Rodungs- und Instandsetzungsarbeiten der neuen Mitglieder und vielen ehemaligen wie aktiven „Schönbrunnern“ wurde der Garten am 11. Juni 2012 in Anwesenheit von Frau Margit Nemec-Glotter, der Umweltausschussvorsitzenden des 12 Bezirks, feierlich eröffnet.

NaHe Garten vor den Instandsetzungsarbeiten, 2012, Foto: Simon Kainak
Umweltausschussvorsitzende Margit Nemec mit den beiden NaHe-Masterminds Christine Marksteiner und Simon Kainak bei der feierlichen Eröffnung des neuen Hetzendorfer Nachbarschaftsgarten; Quelle: meinbezirk.at, Foto: Petra Bukowsky

Die Zahl der Mitglieder wuchs seitdem sukzessive. Heute pflegen ca. 80 – 100 Mitglieder und deren Familien und Angehörige 75 Einzelbeete (die im Durchschnitt etwa 25 m² groß sind), 15 Blumenbeete, einen Kräutergarten, mehrere Weidenschiffchen und die allgemeine Gartenfläche des großen Areals. Schulklassen, Kindergärten und Bewohner des nahegelegenen Pensionistenwohnheims haben die Möglichkeit, Weidenschiffchen saisonal zu mieten. Der NaHe-Nachbarschaftsgarten, einer der größten Österreichs, ist in das soziale Leben in Hetzendorf gut eingebunden. Alljährlich öffnet der Garten im Rahmen eines Sommer- und eines Herbstfestes seine Pforten. Im Laufe der Jahre wurden Kräuterbestimmungen, Baumschneidekurse, Kompostseminare, Vorleseaktionen für Kinder, etc. für Mitglieder, aber auch für ein breiteres Publikum angeboten.

Der NaHe – Nachbarschaftsgarten Hetzendorf ist ein regionales Naherholungsgebiet für viele Bewohner dieses Stadtviertels. Der Garten bietet Lebensqualität und Wohlbefinden. Es ist ein Ort des friedlichen und wertschätzenden Zusammentreffens quer durch alle soziale Schichten, Berufsgruppen und Altersklassen.

Die Nutzungsvereinbarungen mit dem Bezirk sind jedoch befristet und müssen regelmäßig verlängert werden. Der nunmehrige Vertrag gilt bis 2022. Es besteht daher immer Unsicherheit bezüglich des Fortbestandes des Gartens. Dennoch hoffen wir, dass uns unsere Grünoase noch lange erhalten bleiben wird und die enorme Natur- und Kulturgeschichte dieses Ortes nicht unter Asphalt und Beton vergraben wird.

9. Unser Nachbarschaftsgarten als Oase der Biodiversität in der Großstadt

Unser Garten ist Heimat für zahlreiche, in der Stadt selten gewordene Tiere und Pflanzen. Gesichtet wurden Äskulapnattern, Mauer-, und Zauneidechsen. Igel, Fuchs und Marder finden hier einen Rückzugsort. Von der ehemaligen Versuchsbaumschule sind einige auch kulturhistorisch interessante und botanisch besonders wertvolle Bäume und Sträucher übriggeblieben, die von den Mitgliedern des NaHe Gartens gepflegt werden. Der Artenreichtum im NaHe – Nachbarschaftsgarten ist für den städtischen Raum einzigartig.

In einem eigenen Artikel werden wir die pflanzliche und auch tierische Vielfalt unseres Gartens detailliert vorstellen, wie z.B. unseren Lederhülsenbaum.

Der Lederhülsenbaum ist eines der Prachtstücke des Gartens. Foto: Wolfgang Graf
Von ca. 1860 – 1957 gab es in Hetzendorf ca. 20 Meisterbetriebe für Perlmuttdrechslerei, die Knöpfe, Ziergegenstände und Einlegearbeiten produzierten. Perlmutterabfälle sind in den Gärten und somit auch in unserem Nachbarschaftsgarten in Hetzendorf vereinzelt zu finden. Quelle: Foto Schima

Quellenverzeichnis

Alfred Auer [Hg.]: Wien und seine Gärten. Anlässlich der 2. Internationalen Gartenschau – WIG 74. Wien [u.a.]: Jugend & Volk 1974, S. 41 ff.

Wiener Heimatbücher Meidling; Deutscher Verlag für Jugend und Volk; Karl Hilscher; 1923

Hetzendorf und sein Schloss; Wiener Heimatkunde; Verlag Jugend und Volk; Julius Brunner; 1972

I. Haslinger, G. Trumler, So lebten die Habsburger, Brandstätter Verlag, 2007

200 Jahre Pfarre Hetzendorf, 75 Jahre Rosenkranzkirche; Dr. W. Löhnert; Herausgeber und Verleger: röm.-kath. Pfarre Hetzendorf

Das Kaiserliche Lustschloss in Hetzendorf, Magdalena Hawlik-van de Water; böhlau Verlag, 1996

Wien wächst; Statistisches Jahrbuch Wien 2019


[1] Das kleine 1×23 der Wiener Bezirke: Meidling; Bezirksstatistiken